«Aufklärungsbuch für Erwachsene»
In der vierten Ausgabe von "frei denken", der vierteljährlich erscheinenden Zetschrift der Freidenker-Vereinigung der Schweiz, bespricht Volker Kohlschütter, Geschäftsleiter des Zentralvorstands das Buch "Denkanstössiges".
Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz FVS ist eine Interessengemeinschaft konfessionsfreier Menschen. Näheres unter Freidenker Vereinigung Schweiz.
Bereits im doppeldeutigen Titel ihres Buchs „Denkanstössiges - Abwechslung macht das Lieben süss“ macht die Autorin klar wohin ihre Reise geht: Nämlich in die „anstössigen“ Bereiche unseres Sexuallebens. Anstössig in sofern, als dass Barbara Jost ohne Tabu in die Segmente unserer Beziehungsvorstellungen vordringt, die zwar immer wieder Thema öffentlicher Statistiken und Studien sind, jedoch privatim eher ein nebulöses Dasein unterm Teppich fristen: Wie steht es mit dem Sein und Schein unseres Sexuallebens? Leben wir einen falschen, da unmenschlichen Treuekodex? Würden weniger Paare sich trennen ohne diesen sie kasteienden Zwang zur absoluten, unantastbaren Monogamie?
Die Autorin macht keinen Hehl daraus, wie ihrer Meinung nach diese Fragen zu beantworten sind! Sexualität stellt für sie ein menschliches Urbedürfnis dar, welches ein Recht auf
Befriedigung hat. In vielen Beziehungen jedoch besteht ein Gefälle zwischen den Bedürfnissen der Partner bezüglich ihrer Sexualität. Gängiger Weise wird dem Partner, der ein grösseres Bedürfnis nach körperlicher Nähe hat, dieses abgesprochen, so die Autorin weiter. Wieso soll es nicht möglich sein, seine Bedürfnisse innerhalb der Beziehung durch das Schaffen neuer Anreize, aber auch ausserhalb derselben, durch Inanspruchnahme „sexueller Dienstleistungen“
zu befriedigen.
Konsequent folgen den - polarisierenden - Darlegungen zur sexueller Treue in Beziehungen handfeste und durchaus nützliche Informationsteile. Insofern kann „Denkanstössiges“ auch als „Aufklärungsbuch für Erwachsene“ beschrieben werden. Wohl wissend, dass sie sich in einem hochsensiblen Bereich befindet, agiert Barbara Jost gleichzeitig klar, nahezu nüchtern, als auch mit viel Fingerspitzengefühl für das Heikle des Themas. So gibt sie Tipps zu Pornoliteratur wie auch Pornovideos, Swinger-und Tantraclubs. Hierbei bettet sie live Erfahrungsberichte wie auch kritische Betrachtungsweisen mit ein.
Fazit: Mit ihrem Buch „Denkanstössiges“ will Barbara Jost unser tradiertes Beziehungsbild in Frage stellen. Sexueller Treue als unantastbares Dogma innerhalb von Partnerschaften stellt sie ein Beziehungsbild gegenüber, das grosse Toleranz und Sensibilität, wie auch Offenheit bis in die intimsten Bereiche unserer Vorstellungen und Bedürfnisse hinein erfordert. In einem fein abzustimmendem Prozess von Verantwortung und Befriedigung der ureigenen sexuellen
Bedürfnisse erwächst die Chance auf eine neue Form des Zusammenseins. Diese kann, so das Credo der Autorin, zu einer wahrhaft dauerhaften, sich eher intensivierenden Nähe führen.
Volker Kohlschütter
Barbara Jost ist Mitglied der Freidenkervereinigung der Schweiz.